Sauer macht lustig & Gesund!

NACHTTISCHLAMPE AUS, RUHEPHASE AN.Die Rede ist vom „Tiroler Sauerbrunn“.

WIE SCHMECKT’S & WIRKT‘S?

Der Sauerbrunn schmeckt tatsächlich etwas sauer, zugleich mineralisch und durch seinen natürlichen Kohlensäure-Gehalt prickelnd. Ein Schluck und man will unweigerlich mehr. Ein weiteres Heilwasser sprudelt hier oben: Schwefelwasser. Ob das Schwefelwässerchen auch so gut schmeckt? Da scheiden sich die Geschmacksgeister. Heilsam sind jedoch beide. Dem Tiroler Säuerling mit geringem Kochsalz- und hohem Magnesiumgehalt wird u. a. eine positive Wirkung bei Magen- und Darmbeschwerden, Nierensteinen und Asthma zugeschrieben. Sauer macht also nicht nur lustig, sondern vor allem eines: gesund.

Tierische Entdeckung

Nachdem ein Hirte bzw. seine Ziegen im 13. Jahrhundert die Quelle entdeckt hatten und sich jenes säuerlich schmeckende Wasser als besonders heilsam herausgestellt hatte, entwickelte sich ein lebhafter Kur- und Badebetrieb. Nicht nur den Tieren schien es zu schmecken. Die zufällige Entdeckung der Schwefelquelle im 19. Jahrhundert verlieh dem Kurort noch mehr Beliebtheit.

Auch dem Adel schmeckt‘s

Jährlich produziert Familie Kirschner 300.000 Flaschen des Säuerlings. So viel wie die Big Player an nur einem Tag: Für einen kleinen Tiroler Familienbetrieb jedoch beachtlich. Der Sauerbrunn wurde in den vergangenen Jahrhunderten aber nicht nur in der Region getrunken. So schätzte es bereits die High Society des 15. und 16. Jahrhunderts. Unter den Fans: Erzherzog Ferdinand II, der flaschenweise nach Innsbruck orderte. Also wenn das kein Zeichen höchster Güte ist.

Mehrweg

Abgefüllt wird in Glasflaschen. Bemerkenswert: Das Leergut wurde bereits damals aus der Ferne wieder zurück nach Ladis verfrachtet. „An unserem öffentlich zugänglichen Brunnen in Obladis können Wanderer kostenlos ihre Trinkflaschen abfüllen“, erzählt Seniorchefin Burgl Kirschner (87), der eine nachhaltige Lebensweise sehr wichtig ist.

Obladis und sein Kurhotel

Was war zuerst da? Die Henne oder das Ei? Der Sommer- oder Wintertourismus? Während die Menschheit bei der ersten Frage noch im Dunkeln tappt, ist die Antwort auf zweitere einfach: Der Sommertourismus. 1835 ging das Oblader Nobelhotel unter der Leitung von Dr. Hermann Schumacher, Burgls Urgroßvater, in seine erste Sommersaison. In der sogenannten Wandelhalle tranken die Kurgäste das heilsame Wasser. Damit es nicht zu kalt war, wurden die Gläser von den Brunnenfeen zuvor gewärmt. Das gesellschaftliche Miteinander war auf allen Ebenen spürbar: Sie spielten Cricket, kegelten und nahmen an Veranstaltungen teil. Das Angebot an Unterhaltungsmöglichkeiten war hervorragend. Zudem verfügte das Hotel über allerlei Annehmlichkeiten: Zentralheizung, Kalt- und Warmwasser, elektrisches Licht, tägliche Postzustellung, ärztliche Betreuung, Kurmittel und Bäder. Fast 80 Jahre vergingen, bis das Hotel auch Wintersportler beherbergte und der organisierte Skilauf Einzug hielt.

Prominent

Die Fremdenbücher vergessen nichts. In ihnen sind alle Gäste fein säuberlich notiert. Bei ‚Charakter‘ wurde der Beruf des Gastes eingetragen: Nobelpreisträger, Kanzler und Präsidenten, alles war vertreten. Unter den prominentesten Gästen war der damalige österreichische Bundeskanzler Julius Raab. Über ein Jahrzehnt genoss er mit seiner Gattin, die nach einem Schlaganfall gelähmt war, regelmäßig die Oblader Sommerfrische.

Feuer und Flamme

Fast 140 Jahre brodelte das Kurleben; dann ging die Ära bitter zu Ende. 2022 jährt sich zum 50. Mal ein schreckliches Ereignis, das sich in der Nacht vom 8. auf den 9. Dezember 1972 ereignete. Das „Kur- und Sporthotel“, wie es später vom neuen Besitzer getauft wurde, wurde ein Raub der Flammen. Als die Feuerwehrmänner eintrafen, brannte der fünfstöckige Gebäudekomplex lichterloh. Das Wasser aus dem Schwimmbad reichte nicht und das Legen der Leitung vom Dorfweiher hinauf zum Hotel dauerte viel zu lange. Die Brandursache ist selbst ein halbes Jahrhundert später noch ungeklärt. Aufgebaut wurde das beliebte Kurhotel allerdings nicht mehr. Glück im Unglück: Der Brand hatte sich vor Beginn der Wintersaison zugetragen. In Folge waren keine Todesopfer zu beklagen. Zudem griffen die Flammen nicht auf die Dependance, also auf das Nebengebäude, in dem bis heute Familie Kirschner wohnt, über. Dort betreiben sie heute ein kleines Café und eine Pension.

Buchtipp

Die spannende Geschichte rund um das Kurhotel erscheint in Kürze in Buchform. Die Buchpräsentation findet exakt 50 Jahre nach der Brandnacht statt: am 9. Dezember 2022.

Renaissance der Sommerfrische

Auch wenn das Hotel nicht wieder aufgebaut wurde, so erlebt die Sommerfrische heute eine Renaissance. Burgl stellt fest: „Die Gäste von heute sind wieder auf der Suche nach dem ‚Guten‘ und den stillen Dingen. Das finden sie bei uns in den Bergen. Täglich ein Glas Sauerbrunn darf da natürlich nicht fehlen.“